MAKKABI Deutschland, Makkabi Frankfurt und Zusammen1 gedenken
Bis zum Morgen des 7. Oktober 2023 dachten wir, dass der Begriff des „Zivilisationsbruchs“ (Dan Diner) ausschließlich dem 20. Jahrhundert und den präzedenzlosen Verbrechen der Deutschen gegen die europäischen Jüdinnen und Juden, dem Holocaust, vorbehalten sei. Doch wir haben uns geirrt. Vor genau einem Jahr, am 7. Oktober 2023, verübte die Hamas nicht nur einen Angriff, sondern das größte Pogrom gegen Jüdinnen und Juden seit 1945. Ein barbarischer Akt gegen Israel, den jüdischen Staat, der 1948 auch als Konsequenz der Shoah gegründet wurde.
Der 7. Oktober 2023 wird ewige Gegenwart sein
Über 1.200 Israelis, darunter größtenteils Jüdinnen und Juden, wurden ermordet, unzählige vergewaltigt und gefoltert. Über 100 Menschen werden immer noch als Geiseln festgehalten. Es war ein Akt des eliminatorischen Erlösungsantisemitismus, der uns den Atem stocken ließ. Wir werden die Gesichter und Namen der Opfer niemals vergessen – genauso wenig wie die unfassbare Gewalt, die ihnen angetan wurde. Der 7. Oktober wird für die jüdische Gemeinschaft und für alle Demokrat*innen ewige Gegenwart sein.
Die Singularität des Holocaust bleibt unberührt
Die Singularität des Holocausts stellt der 7. Oktober jedoch nicht infrage. Wenn Israelis und Jüdinnen und Juden in aller Welt nun Parallelen zwischen dem Holocaust und dem Hamas-Massaker ziehen, werden die Verbrechen nicht gleichgesetzt. Vielmehr wird die Kontinuität des Antisemitismus deutlich gemacht. Der 7. Oktober offenbarte den eliminatorischen Erlösungsantisemitismus der Islamisten in all seiner Grausamkeit.
Besonders erschütternd ist, dass Berichte und Aufnahmen nahelegen, dass nicht nur uniformierte Hamas-Terroristen, sondern auch palästinensische Zivilist*innen an diesen Gräueltaten beteiligt waren. Der Überfall auf das Supernova-Festival in der Negev-Wüste, bei dem über 400 junge, unschuldige Menschen brutal ermordet wurden, zeigt dies auf erschreckende Weise. Vergewaltigungen, Entführungen und brutale Morde – die Hamas wählte dieses Technofestival bewusst als Ziel. Sie griff alles an, wofür wir bei MAKKABI Deutschland stehen: Leben, Liebe, Freiheit. Wir stehen hinter dem Ausspruch: #WeWillDanceAgain.
Heimatlosigkeit, Einsamkeit und Resignation
Der Holocaustüberlebende Jean Améry schrieb in seiner Autobiografie Jenseits von Schuld und Sühne (1966): „Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt.“ Dieses Gefühl des „Nicht-heimisch-Werdens“ kam nach dem 7. Oktober erneut auf. Über ein halbes Jahrhundert nach der Veröffentlichung seines Erinnerungstextes tauchen seine Begriffe wieder im innerjüdischen Diskurs auf. Viele von uns kennen Menschen, die direkt betroffen waren. Neben dieser Ohnmacht machte sich eine tiefe Resignation breit. Es wurde wieder einsam um die jüdische Gemeinschaft, auch um uns bei MAKKABI Deutschland.
#BelieveIsraeliWomen
Besonders schmerzlich ist das ohrenbetäubende Schweigen vieler feministischer Akteur*innen zur sexualisierten Gewalt, die die Hamas als Kriegswaffe eingesetzt hat. Viele, die sich sonst lautstark zu Menschenrechten äußern, schwiegen – und dieses Schweigen verstärkte das Gefühl der Isolation. Wir sagen: #BelieveIsraeliWomen. Doch diese Einsamkeit und Ohnmacht darf uns nicht lähmen. Neben dieser Stille gab es auch Solidarität – von Jüdinnen und Juden, aber auch von vielen Menschen außerhalb unserer Gemeinschaft, die gemeinsam mit uns gegen Hass und Antisemitismus eintreten.
Antisemitismus steigt, auch im Sport
Seit diesem schrecklichen Tag hat sich die Welt verändert. In Deutschland hat sich der Antisemitismus vervierfacht, und wir mussten auf unseren Straßen schockierende Demonstrationen erleben, auf denen die Verbrechen der Hamas verharmlost oder relativiert wurden. Die Anzahl der gemessenen antisemitischen Vorfälle im Sport und unsere Erfahrung in der täglichen Verbandsarbeit bestätigen dies.
Schweigen und Aufgeben sind keine Optionen
Wir sind und bleiben eine starke Stimme für Israel, für das Existenzrecht des jüdischen Staates und für alle, die Demokratie und Freiheit verteidigen. Auch engagieren wir uns seit Jahren gegen Antisemitismus im Sport und haben auch nach dem 7. Oktober immer wieder Stellung bezogen – gegen Antisemitismus im Profisport, im Amateursport sowie mit unserem Zusammen1-Bildungsprojekt. Wir arbeiten täglich daran, Antisemitismus zu bekämpfen und Multiplikator*innen auszubilden, die das Bewusstsein für Antisemitismus, aber auch für die Gräueltaten des 7. Oktobers weitertragen.
Wir halten inne
Morgen aber ist ein Tag des Innehaltens. Seit dem 7. Oktober hatten wir kaum Zeit zu trauern und zu reflektieren. Es hat keinen Tag gedauert, bis unsere Trauer diskursiv mit einem „ja aber“ versehen wurde. Zu oft wurden die Verbrechen relativiert oder gar geleugnet. Zu schnell überschlugen sich die Ereignisse im Nachgang des 7. Oktobers 2023, und oftmals mussten wir direkt wieder politisch kämpfen und den Diskurs mitbestimmen, auch um die Erinnerung an die Opfer und das Schicksal der Geiseln wachzuhalten. Doch die Sprache ist zu limitiert, um die Verbrechen der Hamas zu beschreiben.
Wir wollen morgen der Trauer Raum geben und auch als Verband innehalten. Die Trauer über das verlorengegangene relative Glück vor dem 7. Oktober 2023 und die Trauer, dass wir seit 365 Tagen in einem permanenten, reagierenden Krisenmodus leben müssen. Wir werden niemals zulassen, dass die Täter ex post Macht über die Erinnerung an die israelischen Opfer in den Kibbuzen und des Supernova-Festivals gewinnen.
In Gedenken an die Opfer des antisemitischen und islamistischen Terrors vom 7. Oktober 2023. In Gedenken an alle Geiseln. In Gedenken an die ermordeten Geiseln und alle von Antisemitismus Betroffenen.